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Zimmerpflanzen: Diese Pflanzen kommen ohne Blumentopf, ohne Erde aus - DIE WELT

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Gleich zu Beginn des Gesprächs entschuldigt sich Zelda Czok erst einmal. Sie müsse nur noch schnell etwas mit einem IT-Experten klären. Also bleibt Zeit, um die Pflanzen in der „Plant Station“ zu begutachten. Pilea heißt eine, auch chinesischer Geldbaum oder Ufo-Pflanze genannt, weil die Blätter kreisrund sind. Oder Begonia Maculata, deren grüne Blätter gesprenkelt sind mit weißen Punkten.

Die ungewöhnlichsten Gewächse aber liegen in einer Vitrine, sie gehören zur Gattung Tillandsia. Eine Medusa erinnert an die Tentakeln eines Oktopus, deren Enden lilafarbene Blüten zieren. Eine Argentea mutet an wie ein Knäuel aus graugrünen Haaren. Sie liegen auf Kristallscheiben oder in Schalen und kommen ohne Blumentopf, ohne Erde aus. Was sie an Nährstoffen benötigen, nehmen sie über ihre Blätter, über die Luft auf.

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In dem von drei Seiten verglasten denkmalgeschützten Häuschen am Grindelberg, das früher mal eine Tankstelle beherbergte, hat sich auf 45 Quadratmetern ein kleiner, aber sehenswerter Großstadt-Dschungel ausgebreitet. Hier stehen, hängen und ranken auch Sukkulenten, also dickblättrige, fleischige Arten, aber auch Calatheas, Maranten und Fittonien herum. Auf Instagram sind diese Pflanzen die neuen It-Pieces junger Großstädter, die sich damit ihr Grün in die eigenen vier Wände holen. Mittlerweile hat die Bewegung eine darauf spezialisierte Bloggerszene hervorgebracht.

Die Hamburgerin hat sich jetzt ganz auf „Urban Jungle“ spezialisiert. Was es damit genau auf sich hat, erzählt sie wenige Minuten und zwei Anrufe später, mit denen das IT-Problem offenbar gelöst wurde. Was im Wohnbereich seinen Anfang nahm, schwappe mittlerweile auch auf öffentliche Räume, ja auch die städtischen Außenflächen über, erklärt die 41-Jährige.

„Weil immer mehr Menschen bewusst wird, dass wir Pflanzen brauchen, um uns wohlzufühlen“, sagt sie. Sie sorgen für ein besseres Klima, das satte Grün wirkt erfrischend und beruhigend zugleich. Auch das Muttergeschäft der „Plant Station“ namens Winkel van Sinkel in der Neustadt, mit dem Zelda Czoks Vorliebe für ungewöhnliche Zimmerpflanzen ihren Anfang nahm, ist kein herkömmlicher Blumenladen. Welcher andere Florist hat, wie in diesem Fall, schon eine Gefolgschaft von 17.000 Instagram-Followern hinter sich?

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Der Trend zu mehr und satterem Grün ist in Hamburg allgegenwärtig. Einige Wohnaccessoire-Geschäfte, aber auch Modeboutiquen mischen längst eine Auswahl an Zimmerpflanzen in ihr Sortiment. So wie bei Granit (Poststraße 20 und Schulterblatt 26), wo es neben skandinavischem Design auch Sukkulenten und andere Pflanzen gibt. Das eine oder andere Grün findet man zwischen Klamotten, Schmuck und Keramik auch bei Kauf dich glücklich (Schulterblatt 18). Eine schöne Auswahl an ungewöhnlichen Topfpflanzen führen zudem die Blumenläden Die Grüne Flora (Schulterblatt 79), Saxifraga (Glashüttenstraße 100) oder Blumen Schroeder – Floral-Art Ottensen, Ottenser Hauptstraße 40

Diese Air Flower braucht weder Blumenerde noch Blumentopf
Diese Air Flower braucht weder Blumenerde noch Blumentopf
Quelle: Daniel Reinhardt

Als Zelda Czok ihre ersten Gewächse präsentierte, gab es noch kaum Vergleichbares in Hamburg oder anderswo in Deutschland. Im Mai 2016 eröffnete sie in der Wexstraße in der Neustadt ihren ersten Laden Winkel van Sinkel, der in zweierlei Hinsicht ein Wagnis war. Die Tochter eines Hamburgers und einer Holländerin wusste zwar, worauf es in der Branche ankommt, schon als Kind hatte sie zwischen dänischen Möbeln, mit denen ihr Vater handelte, Verstecken gespielt.

Den Schritt in die Selbstständigkeit hatte sie gerade wegen dieser Erfahrung lange gescheut. „Ich wusste ja, wie hart man da sein Geld verdient.“ Sie lernte erst mal Einzelhandelskauffrau, machte Station in großen Läden wie Tchibo und Blume 2000 und bekam zwei Kinder. Schließlich arbeitete sie an der Seite ihres Vaters in einem Fachgeschäft für Kochutensilien und in einem skandinavischen Einrichtungsladen in Eimsbüttel.

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Und dann wagte sie den Sprung in die Selbstständigkeit mit Winkel van Sinkel, das seit April auf einer größeren Fläche in der Kaiser-Wilhelm-Straße 9 residiert, dann doch. Der Name kommt aus dem Holländischen, wo man unter Winkel van Sinkel eine Art Gemischtwarenladen versteht. Das passte zu ihrer Idee eines Concept Stores im Amsterdam-Style. Nicht skandinavisch minimalistisch sollte er sein, eher lässig und üppig und vor allem mit viel Grün. „Ich war als Kind jedes Jahr in den Ferien bei Verwandten in der Nähe von Amsterdam. Ich hatte Heimweh nach diesem Lebensgefühl.“

Anfangs spielten die seltenen Zimmerpflanzen neben Papeterie, Geschenkartikeln und Lederwaren eine untergeordnete Rolle. Das änderte sich rasch. Mittlerweile hat sich Zelda Czok auf den Handel mit besonderen Gewächsen spezialisiert. „Ich gehe mit meinen Kunden mit, und die wollen Pflanzen. Sie sehen unsere und fragen: ‚Ist das vielleicht auch was für mich, obwohl ich eigentlich nicht gut mit Pflanzen kann?‘“

Vielleicht Kakteen? Zelda Czok versucht herauszufinden, was zum Kunden passt
Vielleicht Kakteen? Zelda Czok versucht herauszufinden, was zum Kunden passt
Quelle: Daniel Reinhardt

Doch weil die meisten Kunden nicht bloß was Grünes, sondern auch Beratung, ja Begleitung suchen, nimmt dieser Teil viel Raum in den Geschäften ein. „Wir sagen dem Kunden, welches Exemplar zu ihm passt. Das ist wichtig, weil wir so sichergehen, dass er oder sie auf Dauer glücklich ist. Wichtig ist etwa, wo die Pflanze stehen wird: auf einem Tisch oder auf der Fensterbank, neben einer Heizung oder in Zugluft? In der Küche, im Wohn- oder Schlafzimmer?“

Wer viel reist, wählt aber vielleicht besser ein Terrarium, das nur alle sechs Monate gegossen werden muss. Luftdicht verschlossene Biotope in bauchigen Glasbehältnissen mit Korken sind das, die mit einem speziell geschichteten Erdgemisch ausgelegt sind. Die Moose, Mini-Bäumchen und -farne, die darin wachsen, beziehen all ihre Nährstoffe aus dem eigenen Kreislauf.

„Hallo? Sie ist eine Art Mitbewohnerin!“

Die Corona-Krise habe den Trend zu mehr Grün noch einmal verstärkt, beobachtet sie. „Die Hinwendung zum eigenen Zuhause, zu diesem geschützten Ort und Fragen wie: Was ist mir wichtig und wo sind wir zu Hause?, das beschäftigt die Leute.“ Viele ihrer Stammkunden schauten auch dann in ihren Läden vorbei, wenn sie nichts kaufen wollen. „Ich glaube, sie kommen, um bei uns aufzutanken. Sie wollen sich austauschen, etwas mit anderen teilen.“

Ihr eigenes Herz aber hängt an einer Zimmerlinde. Gut eineinhalb Meter hoch, nichts für Anfänger, weil ganz schön zimperlich. Trotzdem würde sie sich nie von ihr trennen. „Hallo? Sie ist eine Art Mitbewohnerin! Wir wachsen zusammen und wir wachsen – zusammen“, setzt sie nach.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

Quelle: WELT AM SONNTAG



August 13, 2020 at 10:19AM
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